Dinge von gestern, Dinge von heute, Dinge von morgen (4)

Dinge von gestern: Aperol Spritz 

Es ist langsam soweit. Die Schneeglöckchen strecken ihre weißen Köpfe durch den Rasen. Die Tage werden länger und beim After-Work-Drink an den ersten sonnigen Frühlingsnachmittagen flirtet manch einer schon mit dem Aperol Spritz. 

Stopp!


Eine alte Regel besagt: wenn es ein In-Getränk fertig gemischt in Dosen ins Discounter-Regal schafft, ist es kein In-Getränk mehr. Sorry, Boys and Girls der künstlich angelegten Hafen-Strände, der Aperol Spritz und sein kleiner süßer Bruder Hugo sind so out, dass man schon beim Bestellen vor Scham ganz orange anlaufen sollte. 

Seit das eigentlich ganz erfrischende Getränk von laut gackernden Sachbearbeiterinnen aus der Kreisverwaltung Coesfeld zur Nummer eins der Grillparty-Getränke auserkoren wurde, hat “lo Spritz” leider den Abstieg aus der Sommerfrische der italienischen Alpen in das Aldi-Regal in Dortmund-Brackel angetreten - und damit seinen Glamour verloren. Wer jetzt noch Spritz bestellt, wirkt entweder so blasiert wie Mario Adorf in der Serie Kir Royal oder so ordinär wie eine Tüte Kartoffelchips in den Händen von Kevin Großkreutz. 


Dinge von heute: American Football

Ich weiß, was Du am ersten Februarwochenende getan hast! Nicht erschrecken, das ist kein Herrschaftswissen. Du hast dich mit einigen deiner Freunde getroffen und eine Super Bowl-Pary gefeiert. Du weißt zwar weder was eine Skinny Post Route ist, noch wer oder wie man Cover 2 spielt, aber Beyoncé war super bei der Halbzeitshow und die Werbe-Clips total witzig. Es gab Hot Dogs, Burger oder was die amerikanische Ess- und Snackkultur sonst so hergibt. Wahnsinn, sogar Du der keinerlei Bezug zu diesem Sport hat, guckst dessen wichtigstes Spiel! Schließlich gucken alle anderen den Super Bowl und deswegen guckst Du ihn auch. Das ist ein klares Indiz, dass die NFL und damit im Endeffekt der Gesamt-Sport American Football auf dem Zenit des Erfolges angelangt ist.

Aber mal ehrlich: wie kommt ein Europäer dazu diesen Sport zu gucken? Der Sport verfügt über ein extrem kompliziertes Regelwerk, das selbst die, die mit dem Sport aufwachsen, kaum verstehen. Ein weiteres Problem stellt die Identifikation mit den Spielern da. Der Weg in die NFL ist ausschließlich Athleten vorbehalten, die vorher ein Sportstipendium an einer renommierten Football-Uni erhalten haben. Um dieses Stipendium zu bekommen, muss man vorher ein vielrekrutierter Highschool-Spieler sein. Daher spielen in der NFL im Gegensatz zur NBA und der NHL, deren Sportarten weltweit auf hohem Niveau ausgeübt werden, nahezu ausschließlich US-Amerikaner. Zudem sind die Kickoff-Zeiten für Kontinenatleuropäer ziemlich ungünstig. Die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Trend sind also nicht gut, doch stellen sie keine unüberwindbaren Hindernisse für einen länger anhaltenden Football-Hype dar.

Der wahre Grund warum American Football kein Ding von morgen sein wird, liegt in der Natur des Spiels selbst. Es ist brutal. Und die Spieler werden immer noch stärker und gleichzeitig trotzdem immer schneller. Die Zahl der schweren Verletzungen ist schwindelerregend hoch. Gut, auch im Fußball gibt es Kreuzbandrisse, aber das Tabu-Wort in der NFL ist „Concussion“ (Gehirnerschütterung). Medizinische Studien haben überraschenderweise einen Zusammenhang zwischen regelmäßigen Tackles gegen den Kopf und golfballgroßen Löchern in den Gehirnen verstorbener Footballer festgestellt. CTE ist die schleichende, oft erst nach der Karriere auftretende neurale Dysfunktion, die als Damoklesschwert über der NFL und ihren Spielern hängt. Infolgedessen schicken immer weniger Eltern ihre Kinder zum Football. Der Sport könnte ein Nachwuchsproblem bekommen. Auch die hohe Quote krimineller Footballprofis, besonders was häusliche Gewalt angeht, trägt zu einem zunehmend schlechteren Ruf der NFL bei. Noch allerdings brummt das Geschäftsmodell NFL, aber die Tendenz geht ganz klar Richtung Gestern.

Mehr dazu hier.

Hardest Hits in Football


Dinge von morgen: Latzhose

Jumpsuits, Playsuits und Unitards. Alles schon lange Dinge von heute. Wer im Onesie die Komfortzone seiner eigenen vier Wände verlässt wird nicht mehr schräg angeguckt, sondern eher um das freshe Kleidungsstück beneidet. Etwas anders verhält es sich gegenwärtig noch mit der Latzhose. 

Ja klar, die Latzhose war schon immer da, wurde regelmäßig neu erfunden und wieder vergessen. Unausweichlich wird sie - wie der Bart heute - auch ihr Revival in der Zukunft feiern. Nach kurzen Höhenflügen in den 80er und 90er als provokantes Fashion-Statement, fristet sie allerdings derzeit ein trauriges Dasein als Arbeitsbekleidung für Elektriker, Erzieherinnen und Berufshipster. Selbst der Nice-Clean-Rap à la Will Smith kommt heute ganz ohne Latzhose aus. 


Doch das nächste Jahrzehnt könnte den Advent der Latzhose bringen und ihren dauerhaften Durchbruch bedeuten. Wieso? Die Welt wird globaler, modisch toleranter und experimentierfreudiger. Die ersten Latzhosenanzüge für Frauen können schon in avantgardistischen Städten im Straßenbild ausfindig gemacht werden. Die Skinny-Legs werden auch an der Latzhose die klobigen Beine und den Baustellen-Look ablösen. Und seit dem Tod von Peter Lustig wird auch die kommende Generation die Latzhose nicht mehr mit seltsamen, alleinstehenden Garten-Pädagogen in Verbindung bringen. Was sollte die Latzhose also jetzt noch aufhalten? 


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