Ein bisschen Uber-trieben
Nach 10 Monaten am Stück im
Ausland hat mir die Rückkehr nach Deutschland eine besonders wichtige
Erkenntnis gebracht: das Land der Dichter und Denker ist inzwischen das Land
der Kopierer und Innovationsbremsen. Beispiele? Das letzte originelle deutsche TV-Format
war Stefan Raabs Wok-WM. Und das waren bestenfalls B-Promis die in einer Bratpfanne einen Eiskanal runtergerutscht sind. Die erfolgreichsten Start-Ups sind die e-Commerce
Copycats der Samwer Brüder. Auch das Amazon der Schuhe wird nie ein Amazon sein. Zudem gilt in einem der am dichtesten bevölkerten
Länder Europas: wer sich jenseits der großen Städte bewegt, muss damit rechnen weder
mobil erreichbar zu sein, noch schnelles Internet zu haben. Um die mangelnde
Innovationsfreude in Deutschland beispielhaft zu illustrieren kann man sich auch die
Geschichte des Fahrdienstvermittlers UBER anschauen. Nach einem unfassbar großen Widerstand (nicht aus der Bevölkerung, sondern von Seiten der Taxi-Lobby) und
bürokratischen/rechtlichen Schikanen gegen das Unternehmen haben sich die Amerikaner beinahe
vollständig aus dem deutschen Markt zurückgezogen.
Das Verständnis von deutscher Premium-Unterhaltung, ist ein Format das nicht nur aus Großbritannien kopiert wurde, sondern sich selbst schon zum 11. mal kopiert hat.
Dabei ist die Idee so simpel
wie genial. Sie ist zudem mit der flächendeckenden Verbreitung von Smartphones
und der allgemeinen Akzeptanz von e-Commerce so naheliegend wie Senf auf einer
Bratwurst. Wer ein Auto besitzt, das den strengen Ansprüchen von UBER gerecht wird, kann mit Hilfe einer simplen App seine Fahrdienste anbieten.
Potentielle Fahrgäste rufen einen Fahrer via Smartphone zu ihrem Standort, der holt
sie dort ab und bringt sie auf der schnellsten Route (ebenfalls über die App
nachvollziehbar) zum Ziel. Die Bezahlung erfolgt automatisch über Kreditkarte. UBER
bekommt für die Vermittlung eine Provision. Kein Bargeld. Keine Zechprellerei.
Keine Stadtrundfahrt für Auswärtige. Ein faires, einfaches System.
UBER: übersichtlich und einfach gestaltet. Bis zum Beleg transparent.
In etwa 397 Städten weltweit
bietet UBER seinen Service an - davon sind ca. 70 in Europa. Noch gibt es 2
Städte in Deutschland in denen man theoretisch ein UBER rufen kann (München und
Berlin), aber es sieht eigentlich schlecht aus für die Amerikaner. Auch wenn sich das Unternehmen beinahe überall seinen Status gerichtlich erstreiten
musste um sich gegen Taxi-Lobbyismus und starre Lokalpolitik durchzusetzen, ist
die Geschichte von UBER wohl kaum enttäuschender für Kunden und Dienstleister
verlaufen, als in Deutschland.
Den Grund dafür versuche ich
jetzt schon seit Jahren von Taxifahrern in Deutschland zu erfahren. Jede unvermeidliche
Taxifahrt nutze ich um meine unfreiwilligen Interviewpartner zu fragen, was sie
von UBER halten. Die Antworten gehen immer in zwei Richtungen. Entweder stoße
ich auf absoluten Hass und Unverständnis für das Geschäftsmodell oder auf blankes
Desinteresse. Die beiden möglichen Reaktionen lassen sich zudem einfach
bestimmten Personentypen zuordnen und sind ein perfektes Abbild der aktuellen
Flüchtlingsdebatte.
Der erste Typus ist meist der typisch deutsche Sturrkopf,
BILD-Leser und Stammtischparolen-Schwinger. Diese Leute schmeißen mit
gefährlichem Halbwissen um sich, schimpfen wüst darauf los und lassen
durchblicken, dass Veränderungen ihnen nicht in den Kram passen. In einem
anderen Setting kann man sich diese Fahrer im Übrigen auch gut „Wir sind das
Taxi!“-schreiend auf einer Montagsdemo in Dresden vorstellen.
Der andere Typus ist der
„Ich fahr jetzt schon seit 20 Jahren, das kommt für mich nicht mehr in
Frage“-Fahrer. Auch er hat vor Veränderung Angst, aber wer will es ihm übel
nehmen. Er hat auch sonst keine Meinung, hält sich in Diskussionen zurück und
fühlt sich wohl in seiner Komfortzone Taxi. Das ist okay. Schon Friedrich II.
sagte: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“
Interessanterweise hört man
bei beiden die immer gleichen Argumente die gegen UBER sprechen und die
voreingenommener nicht sein könnten. Größtenteils drehen sich diese um fehlende Versicherungen und die Fahrgastsicherheit. Es sind die Argumente der Taxi-Verbände
oder der Lobbyisten, die auch bei den Städten und Gemeinden dafür sorgen, dass
die Branche schön überreguliert bleibt, hohe Einstiegsbarrieren hat,
undurchsichtige Preismodelle schafft und sich wenig an die Bedürfnisse von
Fahrgästen anpasst. So muss man zum Beispiel davon ausgehen, dass man in den
meisten Taxis nicht mit Karte zahlen kann. Das pragmatische Workaround für
Kartenzahler ist der Stopp an einem Geldautomaten, bei dem die Uhr natürlich
weiterläuft. Klever! Und das in einem Land, das Höchstgrenzen für
Bargeldzahlungen einführen und Schrittweise die Bargeldtransaktionen
zurückschrauben will.
Dabei wäre es doch so
einfach sich passende Versicherungsmodelle für Fahrer und Gäste auszudenken. Es
wäre auch ein Leichtes den unabhängigen Fahrern seitens der Verwaltung (und des
Fiskus) einen unkomplizierten Einstieg in die Selbständigkeit zu ermöglichen,
z.B. durch die unkomplizierte Anmeldung eines Gewerbes oder einem simplen
Einkommen- und Umsatzsteuermeldesystems. In anderen Ländern klappt das schon
ganz wunderbar. In Australien beispielsweise sind UBER-Fahrer unabhängige
Dienstleister des Unternehmens, die mit ihren privaten PKWs einen
Mietwagenservice mit Fahrer anbieten. Für die Dauer der Fahrt sind alle
Beteiligten an dem Geschäft (und Dritte) über UBER versichert. Der
Vorteil insbesondere für Gelegenheitsfahrer liegt darin, dass sie sämtliche
Kosten von Anschaffungskosten für das Fahrzeug, KfZ-Versicherung, Reparaturen,
Handykosten u.s.w. anteilig abschreiben können.
In puncto Sicherheit kann
UBER auch einiges mehr bieten, als die Taxi-Verbände zugeben bzw. selber leisten können. Der Fahrer kann, bevor er eine Fahrt annimmt die Details über den
Fahrgast einsehen und entscheiden, ob er sich mit der Person sicher fühlt.
Umgekehrt kann auch der Fahrgast kann seinen Fahrer vorher sehen und sich im
Zweifelsfall auch gegen die Fahrt entscheiden. Abgerechnet wird über die
Kreditkarte nach der gefahrenen Strecke. Die Quittung bekommt man direkt per
Mail. Die Route wird zudem transparent dem Fahrer und seinem Fahrgast
vorgegeben und angezeigt und lässt sich auch später noch nachvollziehen. Das
ist etwas, das ich bei Taxis ganz besonders vermisse. Selbst in meiner
Heimatstadt bin ich die 2,5km zwischen meiner Haustür und dem Bahnhof schon auf unzähligen Routen gefahren und habe dabei zwischen 8 und 15 Euro
zahlen müssen. Preisschwankungen, die bisher nur mit der Kompetenz oder
Ehrlichkeit der Fahrer zu erklären gewesen sind. Auch bei UBER können die
Preise schwanken, dies erfolgt aber zu fairen Konditionen. Zu Stoßzeiten
steigen die Fahrpreise leicht an, was weitere Fahrer animieren soll sich ins
Auto zu setzen, weil es die Fahrt lukrativer für sie macht. So wird das Angebot
an Fahrern durch das Preismodell bei hoher Nachfrage künstlich erhöht. Adam
Smith hätte wahrscheinlich vor Freude geweint, bei dieser tollen Idee.
#EconSwag
Die Taxibranche dagegen entzieht
sich den Mechanismen freier Marktwirtschaft. Unabhängig von Angebot und
Nachfrage werden die Preise streng reguliert. Jede Stadt hat ein festes Taxi-Oligopol, das keinen ernstzunehmenden Wettbewerb zulässt. Zuletzt stiegen
durch die Einführung eines Mindestlohns von 8,50€ die Fahrpreise unproportional an, dabei ist es schwer zu glauben, dass zuvor alle Taxifahrer zu
Stundenlöhnen unter dieser Grenze gefahren sind. Dazu kommen die vielen
ungeschriebenen Gesetze der Taxibranche, die dem Fahrgast unnötig das Leben
erschweren. Theoretisch haben Taxifahrer z.B. eine Beförderungspflicht und der
Fahrgast die freie Auswahl in welches Taxi er steigt. Praktisch ist es jedoch unmöglich in ein beliebiges Taxi zu steigen, wenn mehrere Fahrer in einer Reihe
warten. Steigt man nicht in das Taxi des am längsten wartenden Fahrers wird man
unfreundlich rausgeschmissen. Auch wenn das Fahrzeug am Kopf der Reihe ein
Großraumtaxi ist (Aufpreis, natürlich) oder die letzte Rostlaube. Pech gehabt.
Ähnliches gilt, wenn ein Fahrer schon lange am - sagen wir mal Bahnhof -
gewartet hat und bei der Nennung des Reiseziels keine wirklichen Profitchancen
sieht. So musste ich in Berlin schon einmal 8 Taxen abklappern bis mich ein gütiger Samariter (unter lautem Klagen und gegen ein sehr großzügiges Trinkgeld) die 2km bis zur Wohnung gefahren hat. Dass ich die Strecke mit 2 Koffern nicht
laufen wollte, konnte keiner verstehen.
Aber was rege ich mich auf?
Im Deutschland von 2016 zieht die AfD auch mit über 24% in den Landtag von Sachsen-Anhalt. Ein TV-Format wie Germany’s Next Topmodel läuft hier schon in der 11. Staffel. Der
Dürüm-Döner gilt für viele Deutsche als kulinarisches Kulturgut und Jack Wolfskin Jacken sind ein Fashion-Statement. Wir akzeptieren auch, dass die Deutsche Bahn ist wie sie ist und haben uns damit abgefunden, dass sich eine Revolution nicht lohnt.
TF
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