Dem deutschen Biere
Wir schreiben das Jahr 1516, ein historisches Jahr. Der Landshuter Erbfolgekrieg war Geschichte und die wiedervereinigten bayerischen Herzogtümer strebten ein harmonisiertes Rechtssystem an. Und so erließen die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. eine Verordnung, auf dass „allain Gersten, Hopfen und Wasser genommen und gepraucht sölle werden“. Ein regionales Bier-Gesetz war geschaffen. Der Begriff „Reinheitsgebot“ allerdings kam erst im frühen 20. Jahrhundert auf. Und das älteste Lebensmittelgesetz ist es ziemlich sicher auch nicht. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass eine solche Regelung über einen derart langen Zeitraum nicht an Bedeutung verliert.
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Der wahre Nationalfeiertag |
Nun, zum 500-jährigen Bestehen des „Reinheitsgebotes“ ist es angezeigt einmal einen fokussierenden Blick auf den Zustand der der deutschen Bierlandschaft zu werfen, denn zumindest auf dem Papier gilt weiterhin der eherne Grundsatz: nur Wasser, Hopfen, Gerste/Malz und Hefe (war 1516 auch schon im Bier, aber noch nicht entdeckt) sind als Zutaten im Bier zugelassen. Das trifft auch Volkes Wille, verteidigt der Deutsche nur die „freie Fahrt für freie Bürger“ auf Autobahnen so hartnäckig und leidenschaftlich wie sein Bier. Doch lohnt sich sein Kampf?
„Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders!“ dichtete einst schwungvoll Herbert Grönemeyer. Doch nichts geht voran. Das Pils beherrscht den Markt, der unter einigen wenigen Brauereien aufgeteilt ist. Zwar ist der Umsatz groß, aber der geschmackliche Tod des Bieres deutscher Großbrauereien ist bereits eingetreten. Trotz der Tatsache, dass jeder Deutsche ein „Lieblingsbier“ hat, auf dessen Geschmack er schwört, zahlreiche Blindverkostungen von mehr oder weniger seriösen Fernsehformaten haben gezeigt: geschmacklich ist Krombacher gleich Warsteiner gleich Becks gleich Veltins gleich Oettinger.
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn nur vier Hopfensorten bei über der Hälfte aller Biere verwendet wird und der Stammwürzegehalt nahezu identisch ist. Reproduzierbarkeit ist Grundvoraussetzung für günstige Massenproduktion. Wer einen Kasten Bier im Supermarkt für 'nen Zehner kaufen will, der muss woanders eben Abstriche machen.
Doch Halt! Rettung naht! Und zwar in Form von Kleinbrauereien. Ausgerechnet vom Amerikaner, über dessen Light Beer wir uns – absolut zurecht – lustig gemacht haben, müssen wir lernen, dass Kreativität und Qualität in der Herstellung ein besseres Produkt hervorbringen. Während das Fabrik-Pils wohl auch in der mittelfristigen Zukunft von der Pole Position nicht zu verdrängen ist, erobern Pale Ale, Stout, Porter, Lager und Co. die Herzen gerade jüngerer Genusstrinker. Wer Craft-Beer als „Hipster-Kacke“ abtut, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.
Aber Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn die Bürokratie im Verbund mit der mächtigen Lobby, allen voran der Radeberger-Gruppe (Deutschlands größte Brauereigruppe) und Anheuser-Busch InBev, den Emporkömmlingen Knüppel zwischen die Beine werfen würde.
„Hamm'wa immer schon so gemacht! Wo komm'wa denn da hin? Da könnt' ja jeder kommen!“ heißt es vom Gewohnheitstrinker bis zum Bürokraten. Das Reinheitsgebot wird zur Innovationsbremse. Der Aufschrei bleibt aus. Zwar ist an einer strengen Lebensmittelkontrolle prinzipiell nichts auszusetzen, doch wenn sie letztendlich zum Selbstzweck wird, dann ist sie obsolet. Nicht nur, dass die großen Brauerein tricksen wo es nur geht, zum Beispiel mit nach dem Brauvorgang herausgefilterten Chemikalien, es ist zudem so, dass an aromatisierenden natürlichen Zutaten, wie Orangenschalen, Kaffeebohnen oder Kroiander aus ökotrophologischer Sicht nichts einzuwenden ist. Das trifft zwar nicht jeden Geschmack, aber das muss es auch nicht. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Gerade in Bayern, mit Weihenstephan als Wiege deutscher Braukunst, wird das „Reinheitsgebot“ - man muss es in mittlerweile in Anführungszeichen setzen – besonders streng ausgelegt. Experimentierfreudige Kleinbrauer müssen ganze Braudurchgänge vernichten, nur weil sich ein Schreibtischtäter an einem Paragraphen verschluckt hat.
Eingeführt um schlechtes Bier zu verhindern, wird das Reinheitsgebot ein halbes Jahrtausend danach in seinem Sinn und Zweck pervertiert. Das stimmt betrüblich. Doch die #KulinarischeWoche soll auf einer versöhnlichen Note enden. Drum sei nach der ganzen Kritik festzuhalten, dass egal wie es schmeckt: das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist!
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Prost! |
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