Mensa sana pro corpore sano
Die Mensa ist von Alters her der Ort, der unselbstständige, sich im ersten Semester befindende Studierende beider Geschlechter, die sich selbst beim Versuch ein Spiegelei zu braten die Ohren brechen würden, vor dem Verhungern bewahrt. Bisher hatte Mama gekocht. Das war zwar nicht immer lecker, aber selbstverständlich und praktisch.
Umso größer fällt der Kulturschock beim ersten Besuch in der Mensa aus. Die Mensa ist eine Massenabfertigung mit Essen, das nichts kosten darf. Plötzlich sehnt man sich in die Heimeligkeit der elterlichen Küche zurück, wenn man zum ersten Mal mit gräulichem Gyros und verkochten Nudeln in Kontakt kommt. In Ermangelung anderer Alternativen, denn auf Dauer ist der mehrmalige Besuch von Dönerbuden pro Woche nicht finanzierbar, treibt es die meisten Studenten mittelfristig in den Schoß der subventionierten Versorgungsstation zurück.
Der Klassiker. |
Da die Autoren als alte Hasen am Ende ihrer universitären Laufbahn stehen, blicken sie auf die gesammelten Schätze der Mensa-Erfahrungen zurück. Nehmt diesen Text entweder als Guide für euer weiteres Studium mit oder begleitet uns aus nostalgischen Gründen auf diese Reise.
Der Besuch in der Mensa hat zwei Dimensionen: die kulinarische und die menschliche.
Werfen wir zunächst einen fokussierenden Blick auf die Kulinarik dieses Kantinen-Tempels. Zuvörderst ist festzuhalten, dass man in der Mensa gefahrlos essen kann, grundsätzlich satt wird und das sogar ganz lecker. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass man bei einem Essen, dass weniger als vier Euro kostet keine große Kochkunst erwarten kann. Einige Klippen gilt es zu umschiffen, um die Mensa fröhlicher zu verlassen als man sie betreten hat.
Erstens: iss auf keinen Fall ein Fleisch- oder Fischgericht, das überbacken ist. Im schlimmsten Fall „mediterran“. Man kann nämlich nicht erkennen was sich unter der Tomatenscheibe, die in eine dicke Schicht Analog-Käse einvakuumiert wurde, verbirgt. Oft ist das nichts Gutes in Form von sehnigem, fast ausschließlich aus Fettrand bestehendem Fleisch oder kalten Fischbrocken.
Zweitens: iss nichts was in streng geometrischer Form dargereicht wird. Das hat der liebe Gott in der Natur so nicht vorgesehen. Weder bei kreisrunden Bamischeiben, noch bei dreieckigen Brokkoli-Nuggets. Um die wildwüchsige, vielgestaltige Form eines natürlich gewachsenen Brokkolis in gleichschenklige Dreiecke zu pressen, bedarf es mehr künstlicher Eingriffe als das Gesicht von Harald Glööckler erdulden musste. Ebenso verhält es sich mit rechteckigen Fischfilets. Die Zeit quaderförmiger Fische ist seit dem Ordovizium abgelaufen. Der Quastenflosser kann davon ein trauriges Lied singen.
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass ich so traurig
bin.
Ein
Märchen aus uralten Zeiten,
das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Drittens: iss keine Gerichte fremdeländischer Küchen. Den Ruf der weiten Welt vernehmen zwar viele. Ihm folgen können aber die wenigsten. Ein kurzer Flirt mit der Weltküche erscheint verlockend, um dem tristen deutschen Alltag zu entkommen. Bevor Du dich jedoch auf dieses Abenteuer einlässt, bedenke Folgendes: von wem wurde die asiatische (sic!) Nudelpfanne gekocht? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von einem Angehörigen des Kulturkreises, aus dem die Speise stammt. Und selbst wenn, dann stehen diesem armen Koch nicht die authentischen Lebensmittel seiner fernen Heimat zur Verfügung. Es gilt eine Speise auszuwählen, die ihre Wurzeln im lokalen Kulturkreis hat. Die meisten Eintöpfe sehen zwar gewöhnungsbedürftig aus, sind aber durchaus schmackhaft. Auch wenn man in Bezug Zutaten ein gehörigen Vertrauensvorschuss leisten muss.
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"Bon apétit!", wie der Japaner sagt. |
Mit der kulinarischen Dimension im Rückspiegel betrachten wir nun einen Bereich, der nicht den Einflussmöglichkeiten des Studentenwerks unterliegt, nämlich die essenden Studenten. Eigentlich müsste man davon ausgehen können, dass die angehende akademische Elite dieses Landes den Herausforderungen der Nahrungsaufnahme gewachsen ist. Doch weit gefehlt! Wer es geschafft hat ein Essen auszuwählen, dass zu schmecken sich anschickt, der sollte sehr vorsichtig sein, wenn er seinen Blick vom eigenen Teller erhebt. Es könnte nämlich sein, dass die Tischmanieren der Mitesser (pun intended) wirkungsvoller als jeder Apetitzügler wirken. Daher empfiehlt es sich den Blickhorizont nur und auschließlich dann über den Rand des eigenen Tablets hinaus zu erweitern, wenn man den anderen am Tisch den Umgang mit Messer und Gabel wirklich zutraut.
Es klingt banal, doch so mancher, der im Gespräch eloquent und in den Studienleistung exzellent erscheint, scheitert am sachgemäßen Gebrauch der Esswerkzeuge. Es geht hier nicht um die penible Einhaltung des Knigges beim Gala-Diner, sondern um die einfachsten Grundregeln.
Wer keine Suppe ist, also Messer und Gabel benutzt, sollte beides während des gesamten Essens in der jeweiligen Hand behalten. Das Vorschneiden des Schnitzels in kleine Stücke, gefolgt von dem Beiseitelegen des Messers und dem Wechsel der Gabel von der linken in die rechte Hand, der den Startschuss zum Schaufeln freigibt, sollte maximal Fünfjährigen vorbehalten sein.
Das Ablegen des nun seiner Funktionen beraubten linken Armes mit dem Ellbogen auf dem Tisch oder auf dem eigenen Oberschenkel ist in der Folge zwar konsequent, aber gleichsam unangebracht. Hierzu ein kleiner Rückblick auf die Erziehung der Autoren in ihren Elternhäusern. Den beiden Heranwachsenden wurde im Falle des Abstützens des Armes auf dem Oberschenkel unterhalb des Tischplattenniveaus süffisant mit den Sprüchen „Bist du Amerikaner?“ (weil die Cowboys beim Essen im Saloon den Revolver unterm Tisch gezückt hielten) oder „Suchst du Gold?“ begegnet.
Das prägt. Bis heute.
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Originalaufnahme, Ottmarsbocholt ca. 1996 |
Bei manchem erweckt die Haltung des Bestecks in faustgleich geformten Händen den Eindruck die Nahrungsaufnahme stelle für ihn einen herkuläischen Kraftakt dar. Gerade junge Männer, die im Fitnessstudio schwere Langhanteln drücken, neigen dazu an 100 Gramm Edelstahl und einer halben Kartoffel zu scheitern. Zudem gilt: ein Messer ist ein Messer und bleibt auch ein Messer. Es wird nicht zum Löffel, niemals. Auch nicht für Saucenreste.
Eine weitere Grundregel lautet: Die Gabel geht zum Mund, nicht umgekehrt. Was für Außenstehende im ersten Moment den Eindruck von schwerer Studienlast gramgebeugter Studenten macht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Unsicherheit die beladene Gabel mehr als zehn Zentimeter unfallfrei zu befördern, sodass das Gesicht halb im Teller hängt.
Auf das Herumfuchteln mit Besteck zur Untermauerung des eigenen Arguments beim Tischgespräch und der gleichzeitigen Blickfreigabe auf den zerkauten Inhalt des Mundes muss nicht näher eingegangen werden.
In keinster Weise soll dieser Text den Eindruck erwecken, dass sich die Autoren selbst tadellose Manieren zuschreiben. Privat leben sie einige der oben beschriebenen Angewohnheiten gelegentlich auch aus. Die Mensa ist allerdings ein öffentlicher Ort. Wer sich seines Auftretens dort nicht bewusst ist, für den könnte es bei einem Geschäftsessen anlässlich eines Vorstellungsgesprächs oder eines Kundentermins unangenehm werden. Just sayin'.
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Nein. |
Abschließend ist festzuhalten, dass sowohl bei der Wahl des Essens als auch der Begleitung Vorsicht geboten ist. Wer diese walten lässt, der erlebt in der Mensa so manche entpannende Mittagspause.
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Geht doch. |
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